Das Massaker in Glen Coe
Die einfache Geschichte geht so: Am 13. Februar 1692 waren Soldaten des Clan Campbell Gäste im Hause der MacDonalds of Glencoe.
Nach zwei Wochen massakrierten sie ihre Gastgeber heimtückisch.
Wer fliehen konnte, der erfror in den Bergen im Wintersturm.
Noch heute sind die Campbells daher im Glencoe nicht willkommen.
Wie gesagt: Das ist die einfache Geschichte.
Wer es genauer wissen will: Die komplizierte Geschichte rund um das Massaker kommt jetzt.
Sie reicht bis in die Niederlande.
HEUTE: Das Massaker von Glencoe und das Ende des Highland-Kriegs
Halò a h-uile duine, ciamar a tha sibh?
Das Glen Coe im Westen der Highlands ist wunderschön. Inmitten der schottischen Bergwelt bietet es eine traumhafte Kulisse.
Doch es ist auch bekannt und berühmt für einen heimtückischen Massenmord.
Eine Tragödie zwischen Campbells und MacDonalds soll sicher hier abgespielt haben.
Wie so oft steckt mehr dahinter, als man ahnt. Und auch die Verteilung von Gut und Böse ist nicht so einfach, wie es ich zuerst anhört.
Denn das Massaker von Glencoe kann eigentlich nicht ohne den Kontext des damaligen Highland-Kriegs gesehen werden.
Einer Auseinandersetzung zwischen zwei Königen.
Taucht also mit mir ab in ein verwirrendes Ränkespiel um Krieg und Frieden, das uns schließlich zu dem grausamen Tag im Februar 1692 führt.
Die Hintergründe
Das 17. Jahrhundert war ein Jahrhundert der Kriege.
In Europa tobte bis 1648 der Dreißigjährige Krieg. Und auf den britischen Inseln seit 1639 der Bischofskrieg und anschließend der Krieg der drei Reiche.
In Schottland spielten in der Zeit drei Konfessionen eine wichtige Rolle:
* Presbyterianer - Protestanten, die keinen Bischof wollten
* Episkopale - Protestanten, die einen Bischof hatten
* Katholiken - die einen Papst hatten, aber zunehmend verdrängt wurden
Diese religiösen Unterströmungen spielten im Treiben der Politik immer wieder eine Rolle.
Dann, im Jahr 1688, setzte das Englische Parlament in der Glorious Revolution den amtierenden König James II von England und VII. von Schottland ab.
Denn James stand im Ruf, den Katholizismus als Staatsreligion wiederherstellen zu wollen.
Direkt darauf erhoben sich zum ersten Mal die Jakobiten in den Highlands, um den abgesetzten König zurückzuholen.
Unter dem Heerführer "Bonnie Dundee" schlugen vor allem Highland Clans die Regierung bei Killicrankie empfindlich.
Dazu habe ich übrigens auch einen Beitrag gemacht.
Doch trotz des Siegs hatten die Aufständischen keinen anhaltenden Erfolg.
So zogen sich die Clans auf eine Art Guerillakrieg in den Highlands zurück. Schottlands Nordwesten war um 1690 also ein Unruherd.
Der abgesetzte James II. versuchte derweil in Irland Fuß zu fassen, mithilfe französischer Truppen.
Mehrere Fronten sollten den neuen König unter Druck setzen.
Dabei hatte das englische Parlament mit William III. einen König auf den Thron gesetzt, der eigentlich überhaupt nicht an den britischen Inseln interessiert war.
Er hatte sich über seine Frau Maria II. - eine Stuart - die Krone geholt, um seinen Krieg in den Niederlanden gegen Ludwig den 14. unterstützen zu können.
Das Desinteresse kam dem englischen Parlament ganz recht. Sie konnten quasi fast ungehindert regieren.
Auch in Schottland gab es mächtige Männer, die die politischen Strippen zogen und versuchten ihre eigene Stellung zu verbessern.
Puh. Das war ja ein ganz schönes Durcheinander auf den Inseln.
Am besten fasse ich mal alle wichtigen Protagonisten für die kommenden Geschehnisse zusammen:
Auf oberster Ebene:
- William III: der König, der mit dem Kopf und oft auch dem Körper beim Krieg in den Niederlanden war
- James II: der Ex-König, der sich mit Frankreich verbündet hatte und Ärger in Irland machte
Dann:
- Jakobitische Clans: die Anhänger des Ex-Königs. Zwar geschlagen, bilden sie aber eine ständige Bedrohung in den schottischen Highlands.
In der schottischen Regierung:
- John Dalrymple, quasi Schottlands Innenminister: Ein Mann mit einer Vision für sich und das Land. Jakobiten hatten da keinen Platz.
- John Campbell, Earl of Breadalbane. Ein mächtiger Politiker, der zwischen Jakobiten und Regierung versuchte zu vermitteln.
Und bei den Geschehnissen im Glencoe selbst:
- Robert Campbell of Glenlyon. Ein verarmter Adliger aus der Gegend, der mit rund 60 Jahren in den Armeedienst eintreten musste.
- Alasdair Ruadh MacIain MacDonald of Glencoe, kurz: MacIain - Führer des kleinen jakobitischen Clans der MacDonald of Glencoe.
Dazu kommen noch einige Soldaten und Offizieren, die ich später nenne.
In den Monaten vor dem Massaker ging es dem Regoerungs-Duo Dalrymple und Breadalbane nun darum, die Clans in den Highlands zu befrieden.
Denn offiziell herrschte noch immer Krieg.
Der Highland-Krieg als Vorgeschichte
Breadalbane war gerade dabei seinen Sitz, Kilchurn Castle, zu renovieren. Ein teures Unterfangen.
Er war übrigens der Nachbar der MacDonalds of Glencoe.
Zur Einordnung: Kilchurn Castle und der Ort des Massakers liegen Luftlinie grob 30 Kilometer auseinander.
Durch die Verhandlungen mit den aufständischen versprach er sich auch selbst einen Gewinn: sowohl an Geld als auch an Einfluss.
John Dalrymple dagegen hatte zu der Zeit Angst, dass die Franzosen den Clans wieder Unterstützung senden würden, so wie sie es in Irland taten.
Er wollte ein Zeichen setzen und den Franzosen klar machen, dass es keinen Wert hätte, hier anzusetzen.
Auf der anderen Seite hatte er aber auch keine große Armee, die einfach die Highlands unterwerfen konnte.
Stattdessen ließ er rund um die Inseln Kriegsschiffe patrouillieren und bei Inverlochy errichtete die Armee ein neues, starkes Fort.
Man benannte es dem König zu ehren "Fort William".
Fast entspann sich in der Lage das Schauspiel vom Good Cop und Bad Cop.
"Bad Cop" Dalrymple und die Armee übten Druck auf die Clans aus.
"Good Cop" Breadalbane führte gleichzeitig Verhandlungen mit den Chiefs.
Sein Ziel war, dass die Jakobiten-Clans sich William friedlich unterwarfen. Sie sollten einen Eid auf William leisten.
Dafür sollten sie sogar Geld erhalten.
Denn dann würde eine front wegfallen und die Soldaten könnten für William in den Niederlanden kämpfen.
Vielleicht sogar Söldner aus den Clans zusätzlich?
Aber davon waren in der schottischen Regierung nicht alle begeistert.
Im Privy Council - dem "Geheimrat" - und im Parlament gab es Fraktionen, die lieber Gewalt statt Diplomatie sehen wollten.
Zum Beispiel gab es am 28. April Bestrebungen aus militärischer Seite, dass Highlander, die den Eid nicht sofort schwören würden, getötet werden sollten.
Als König William davon hörte, unterband er das sofort.
William war also kein hasserfüllter Mörder. Und auch nicht seine Mitkönigin Maria II., die hier oft kaum erwähnt wird.
Sie war ja die eigentliche Thronerbin und eine Stuart.
All das belegt, wie verworren die Politik rund um die Regierung war.
Auch die Clans zeigten keine Einheit in ihren Interessen.
Viele einfache Leute hatten Angst vor Strafen durch die Regierung. Einige Cameron-Zweige wollten daher unbedingt den Eid ablegen.
Aber ihr Chief Lochiel, der Held von Killicrankie, wollte warten, bis die Clans zusammen agierten, damit er nicht derjenige war, der das Eis brach.
Denn noch immer standen die Chiefs ja bei James unter Eid. Ein Eid ist halt eine ernste Sache.
Ein echtes Dilemma für die Clans.
Als sie hörten, dass mit Breadalbane ein Unterhändler kam, entwich etwas zeitlicher Druck. Sie schienen bereit, die Situation zu lösen.
Es sollten Gespräche stattfinden.
Im späten Juni 1691 campten daher 500 Highlander aus verschiedenen Clans bei Achallader Castle nahe dem Eingang zum Glencoe.
Achallader Castle ist eine Ruine auf dem Gebiet von Breadalbane.
Breadalbane gab sich dort als Jakobit zu erkennen. Versprach, sich in der Regierung einzusetzen für die Sache.
Doch die Clans benötigten vor allem Geld, denn die Aufstände hatten die Kassen erschöpft. Auch das versprach Breadalbane, zahlte es aber noch nicht.
Zeitgleich lief in Irland noch eine Kampagne von James. Viele wollten sehen, wie sich die entwickelte.
Spoiler: nicht gut für die Jakobiten.
Eine Randnotiz von dem Treffen lässt aufmerken:
Breadalbane hatte einen lautstarken Streit mit MacIain über Vieh-Diebstahl.
Die MacDonalds of Glencoe hatten bereits einen gewissen Ruf, was das anging.
Nach dem Treffen hatten die meisten Chiefs noch keinen Eid geleistet. Sie wollten erst Geld und besonders die Katholiken sahen sich weiter James verpflichtet.
Doch man einigte sich auf ein Stillhalteabkommen. Bis in den Oktober hinein sollten die Waffen schweigen, um die Lage zu klären.
Die Clans entstanden Emissäre zu James nach Frankreich, um die Erlaubnis einzuholen, den neuen Eid schwören zu können.
Breadalbane meldete derweil an den Rat seinen Erfolg: Die Highlander seien auf einem guten Weg zum Frieden.
Doch das politische Zerren in der Regierung ging weiter.
Die Presbyterianer im Rat versuchten, das Stillhalteabkommen zu unterlaufen.
Und Dalrymple selbst erwog sogar am 12. Juli eine Armee schicken, auch wenn die Aussichten auf Erfolg schwierig waren.
Diesmal war es ein Brief der Königin, der die Kriegstreiber in den eigenen Rängen erneut zurückpfiff.
Breadalbane war derweil in die Niederlande zu König William gereist, um auch ihn an Bord zu holen.
Er besprach sich mit ihm und man einigte sich darauf, das Stillhalteabkommen bis Ende des Jahres zu verlängern.
Dabei setzten sie jene fatale Frist für das Massaker:
Bis zum ersten Januar 1692 sollten die Jakobitenclans William die Treue geschworen haben. Dafür erhielten sie volle Amnestie.
Wer aber den Eid bis dahin nicht leistete, solle drakonisch bestraft werden.
Denn 1692 wollte William seine Truppen aus Irland und den Highlands endlich für den Kampf in den Niederlanden nutzen.
Es sollte keine Ablenkung mehr geben.
Den Abweichlern im Rat entzog der König den Boden, indem er die Armee-Kommandeure in den Highlands direkt anwies, in die Kasernen zu ziehen und friedlich zu bleiben.
Man sollte meinen, dass das ausreichte, um alle in der Regierung auf Kurs zu bringen.
Auf Seiten der Jakobiten war die Lage unklarer.
Einige Chiefs dachten im Herbst des Jahres daran, wieder die Waffen zu ergreifen.
Sie glaubten, der Vertrag von Achallader wäre nur eine Finte gewesen, damit sie im Sommer keinen Krieg führen würden.
Die Gerüchte über diese Überlegungen erreichten wiederum Dalrymple.
Und der war besorgt. Um seine politische Karriere, die die Unzuverlässigkeit der Clanchiefs zu bedrohen schien.
So langsam kam die Idee bei Dalrymple auf, dass man ein hartes Exempel statuieren müsse.
Im November nahm auch die Geduld des Königs deutlich ab.
War er doch siegreich in Irland und die Position der Clans damit erheblich geschwächt.
Breadalbane versuchte derweil immer noch alles für die friedliche Lösung zusammenzuhalten.
Als wäre das alles nicht genug, hatte der Exilkönig James sich in Frankreich ewig Zeit gelassen, mit einer Antwort auf die Frage nach der Auflösung des Eids.
Kurz vor knapp, am 15. Dezember erreichten dann endlich Boten mit einem Brief von König James die Highlander.
Sie waren aus ihrem Eid entlassen.
Zu der Zeit machte Dalrymple jedoch schon Pläne zu einem Winterfeldzug.
Breadalbane erfuhr am 20. Dezember von dem Schreiben und orderte die Chiefs zum 26. zu einem Treffen auf.
Quasi in letzter Minute.
Die meisten Chiefs schafften es. Sie selbst fürchteten nun, dass William es mit dem Straffeldzug ernst meinte.
Und aus Frankreich schien ja keine Unterstützung mehr zu kommen.
Darum leisteten die meisten den Schwur. Sogar einige Katholiken.
>> Die Planung für das Massaker
In all diesen Intrigen kamen viele große Clanchiefs und Politiker vor.
Aber zu denen gehörte MacIain gar nicht.
Sein Clan-Zweig war mit 150 Familien in einem Tal nahezu unbedeutend. Er war unwichtig auf der großen politischen Bühne.
Vielleicht auch darum erreichte ihn die Botschaft von König James viel zu spät.
Panisch begab er sich am 31. Januar nach Fort William, um den Eid dort auf William abzulegen.
Auch weil er nach dem Streit mit dem Nachbarn Breadalbane Probleme von dem fürchtete, wählte er den Weg nach Norden.
Doch in Fort William konnte und wollte man den Schwur nicht abnehmen.
So wurde Iain mit einem Brief nach Ardkinglas geschickt.
Der Brief war durchaus wohlwollend, und besagte, es sei doch nicht so wichtig, WANN ein Schäflein seinen Weg nach Hause fände.
Nur zur Visualisierung der Strecke, die MacIain nun zurücklegte:
Fort William liegt nördlich von Glencoe, Ardkinglas südlich, schon die Luftlinie zwischen beiden Orten beträgt 63 Kilometer.
Und es war Winter.
MacIain kam am 3. Januar in Ardkinglas an und leistete den Eid. Ein entsprechendes Schriftstück wurde mit einem Zertifikat nach Edinburgh geschickt.
Doch die Frist war überschritten.
Darum nahmen die Verwalter des Rats den Eid nicht an. Die Ratsmitglieder sollten später darüber entscheiden.
Eine entscheidende Verzögerung.
Am 7. Januar äußerte Dalrymple sich dahingehend, dass die Abweichler Lochaber, Appin und Glencoe zerstört werden müssten und dass möglichst keine Gefangenen zu nehmen seien.
Er war schlicht verärgert vom Spiel der Clans und er hatte Wichtigeres in seinem Sinn, ebenso der König.
Am 16. Januar schrieb Dalrymple dann einen schwerwiegenden Satz:
"if M'Kean of Glencoe and that tribe can be well separated from the rest, it will be a proper vindication of public justice to extirpate that sect of thieves"
Und er ließ diesen Satz von König William unterschreiben!
Das Problem war, dass beiden vielleicht dabei nicht bewusst war, dass MacIain den Schwur noch geleistet hatte.
So oder so: Man hatte die MacDonalds of Glencoe ins Visier genommen.
Breadalbane schien von all dem wenig mitzubekommen, er bot William sogar schon erste Highland-Regimenter der Clans für die Kämpfe in den Niederlanden an.
Für ihn war die Sache wohl durch.
Doch die Befehle Dalrymples waren ausgesprochen, die Dominosteine fielen. Ab jetzt übernahm die Armee.
Am 23. Januar kam die Anweisung des Oberbefehlshabers der Streitkräfte Thomas Livingstone an seinen Untergebenen Lieutenant Colonel James Hamilton in Fort William:
"I understand that the Laird of Glenco, coming after the prefixed time, was not admitted to take the oath,"
Also MacIain war zu spät.
"which is very good news here, being that at Court it's wished he had not taken it,"
Das passt zum Rest: Einige im Rat - inklusive Dalyrymple - schienen den Clan nicht zu mögen.
"so that that thieving nest might be intirely rooted out; ... "
Der Vorwurf, der Clan in Glencoe wäre eine Diebesbande wiederholt sich.
Hatte hier Breadalbane für schlechte Stimmung gegen seine Nachbarn gesorgt?
"I desire you would begin with Glenco, and spair nothing which belongs to him,
but do not trouble the Government with prisoners."
Keine Gefangenen!
Ein ruchloser Befehl, der nun noch durch ein ruchloses Element ergänzt werden sollte.
>> Das Massaker nimmt seinen Lauf
Es war vermutlich Hamilton, der die Idee aufgebrachte, sich unter dem Gastrecht bei MacIain und seinen Untergebenen einzuschleichen.
Der Plan reifte und die Befehlshaber wählten dafür gezielt einen Mann aus, der verwandt war mit MacIain.
Captain Robert Campbell of Glenlyon.
Dessen Nichte hatte Alasdair, einen Sohn von MacIain, geheiratet.
Der fertige Plan lautete:
Soldaten sollen sich unter dem Gastrecht einquartieren und zu einem festgelegten Zeitpunkt dann gegen die Gastgeber vorgehen.
Während Glenlyon im Tal wüten würde, sollten zwei Regimenter dessen Ausgänge absperren, damit auch keiner fliehen konnte.
Der Plan des Grauens war also perfekt. Er wurde in Gang gesetzt.
Am 1. Februar trafen die Truppen von Glenlyon im Tal ein. MacIains Sohn Alasdair stellte sich ihnen mit 20 Mann in den Weg.
Es war ja immer noch eine angespannte Lage.
Glenlyon überzeugte Alasdair und seinen Vater, dass sie nur Quartier suchten und keine bösen Absichten hegten.
120 Soldaten erhielten so bei den rund 150 Familien im Tal ihre Unterkünfte.
Chief MacIain traf dennoch Vorkehrungen. Er schickte die jungen Mädchen weg, damit die Soldaten sie nicht belästigen könnten.
Außerdem versteckte er die Waffen des Clans. Was sich später leider als Nachteil herausstellte.
Fast zwei Wochen waren die Soldaten bei den MacDonalds zu Gast. Aßen, tranken, spielten Karten.
Doch, am 12. Februar gingen die endgültigen Befehle von Fort WIlliam an Glenlyon.
Sie lauteten im Wesentlichen:
“You are hereby ordered to fall upon the rebells, the McDonalds of Glenco, and put all to the sword under seventy."
Alle unter 70 Jahre Alter also sollten sterben. Eine ungewöhnlich hohe Grenze.
"You are to have a speciall care that the old Fox and his sones doe upon no account escape your hands, you are to secure all the avenues that no man escape."
Die Familie des Chiefs solle komplett ausgelöscht werden.
Jetzt wird es pikant:
"This is by the King’s speciall command,
for the good & safety of the Country,
hat these miscreants be cutt off root and branch."
Ein direkter Bezug auf den Befehl des Königs und dahinter noch eine Drohung an Glenlyon:
"See that this be putt in execution without feud or favour,
else you may expect to be dealt with
as one not true to King nor Government"
Anscheinend hielt es der Befehlshaber für nötig, Glenlyon noch unter Druck zu setzen, die Taten auch auszuführen.
Glenlyon gab den Befehl anschließend durch das Tal weiter.
Seine Soldaten waren teils entsetzt und einige begannen sogar die Bewohner zu warnen. Doch sie erreichten längst nicht alle.
Zwei Offiziere weigerten sich, den Befehl auszuführen. Sie zerbrechen sogar ihre Säbel. Die beiden wurden festgenommen.
Am nächsten Morgen um 5 Uhr früh - wie angewiesen - begann das Töten.
Soldaten gingen in das Haus des Clanchiefs und als der sich umdrehte, um sich anzuziehen, schossen sie ihm in den Rücken.
MacIains Frau wurde entkleidet und ins Freie gejagt, das Haus angezündet.
Überall drangen die Soldaten in die Gebäude ein. Sie erschossen die Männer oder erschlugen sie.
Auch Kinder und Babys verschonten sie nicht.
38 Opfer waren es am Ende.
Andere Bewohner flohen, starben jedoch im kalten Winter. Man vermutet weitere 40 Menschen kamen in den Bergen ums Leben.
Das Vieh - die Lebensgrundlage im Tal - nahmen die Soldaten mit nach Fort William.
Bei aller Grausamkeit: Der Plan war nicht ganz aufgegangen.
Am Südende des Tals waren die Soldaten nicht rechtzeitig eingetroffen, und so konnten dort einige Bewohner entweichen.
Manche Soldaten schienen den Befehl auch, naja, recht ungeschickt ausgeführt zu haben.
So überlebten sogar zwei von drei Söhnen MacIans. Die sammelten um sich noch rund 50 Männer.
Oberbefehlshaber Livingston war nicht zufrieden und sandte weitere Anweisungen, auch die Überlebenden zu jagen und zu töten.
Doch Hamilton schien keine Lust mehr zu haben, das zu befolgen.
>> Nach dem Massaker
Das Massaker war vorüber.
Wie man sieht, waren in all dem die Rivalitäten zwischen Campbell und MacDonald höchstens eine Randnotiz.
Breadalbane, selbst ein Campbell, war von den Nachrichten entsetzt und fürchtete, dass nun Überfälle auf seine Länder durch die Überlebenden geschehen könnten.
Er verurteilte das Massaker scharf. Und er büßte natürlich sein Ansehen bei den jakobitischen Clans ein.
Für ihn ein politisches Desaster.
Ardkinglas - auch ein Campbell - setzte sich für die Überlebenden ein. Sie wurden tatsächlich verschont.
Zwar war Argyll’s Regiment of Foot, das die Gräueltaten ausgeführt hatte, also das Regiment von Archibald Campbell, doch der wusste am wenigsten davon und gab gar keine Befehle.
Selbst unter den Soldaten gab es vielleicht zehn Prozent Campbells. Der Rest waren andere Menschen, teils sogar aus den Lowlands.
Das Perfide an der Geschichte: MacIain war gar nicht der Letzte gewesen, der den Eid geleistet hatte. Es gab noch andere, die sich glatt geweigert hatten.
Doch die Nachrichten von den Gräueltaten zeigten die erhoffte Wirkung. Die Clans waren entsetzt und bekamen es mit der Angst zu tun.
So schworen im Februar endlich auch Clanranald und noch später im Frühjahr MacNeill of Barra die Treue.
Das bestätigte die Regierung in Schottland. Johnstone, der Kollege von Dalrymple resümierte in einem Schreiben:
"thus it is evident severity is the way to deal with them tho the manner here has been odde"
Heißt: Clans verstehen eben nur Härte, allerdings die Sache mit dem Gastrecht war uncool.
So markierte das Massaker tatsächlich den Schlusspunkt der Highland Kriege nach Absetzung von König James.
>> Die Untersuchung
1693 bemühten sich einige aus dem Rat und dem Parlament um eine Untersuchung der Ereignisse.
Nicht, weil sie Menschenfreunde waren und das Verbrechen an den Highlandern sühnen wollten.
Vielmehr sahen sie in dem Massaker eine politische Waffe gegen Dalrymple und Breadalbane.
Es ging wieder um das Gerangel zwischen Episkopalen und Presbyterianern.
Die Aufarbeitung dauerte von November 1694 bis Februar 1696. Dabei sagten auch jene zwei Offiziere aus, die im Glencoe den Gehorsam verweigert hatten.
Im Groben sah man Sir John Dalrymple als den Hauptschuldigen.
Die Konsequenz für ihn war jedoch milde: Er musste seine politischen Ämter abgeben - für eine Weile.
Bereits 1700 saß er wieder im Sattel und half dabei mit, die Union mit England zu verwirklichen.
König William wollte man nicht belangen. Man war der Auffassung, dass er zwar unterschrieben hatte, aber dabei mit dem Kopf woanders war.
Oder so ähnlich.
Breadalbane ging ebenfalls unbeschadet aus dem Verfahren heraus, auch wenn er kurzzeitig sogar inhaftiert worden war.
Seine Rolle zwischen Regierung und Jakobiten bleib auch danach zwilichtig bis über den Aufstand von 1715 hinaus.
Einen Gewinn hatte er: Zwar gingen die Länder von Glencoe nicht an ihn über, doch er übte defacto Kontrolle über die Region aus.
Hamilton, der Kommandant, der die abscheuliche Idee mit dem Gastrecht hatte, floh vor der Untersuchung.
Seine Spur verliert sich in London.
Vermutlich wurde er von einflussreichen Kreisen beschützt und nicht weiter verfolgt.
Alle anderen beteiligten Soldaten und Offiziere wurden durchweg freigesprochen.
Auch Captain Robert Campbell of Glenlyon. Er starb mittellos und trunksüchtig im Jahr 1696.
>> Die Auswirkungen
Warum wurden die MacDonalds of Glencoe bestraft, nicht aber andere Clans?
Die Antwort ist schwierig.
Klar ist: Es sollte ein Exempel statuiert werden.
Dass bereits mehr Truppen nach Fort William verlegt waren und auch andere Clans ein mögliches Ziel waren, ist bekannt.
Vielleicht war Glencoe eine "low hanging fruit"?
Das Tal war von Fort William aus schnell zu erreichen. Und die MacDonalds of Glencoe waren eher ein schwaches Ziel.
Sie waren jedoch verrufen als Viehdiebe, sogar bei Breadalbane. Darum gab es geringere moralische Hürden.
Das Tal selbst war zudem eine perfekte Falle.
Kurz: Für ein Exempel waren sie die einfachste Wahl.
Es war auch weniger die Grausamkeit an sich, die für Entsetzen sorgte.
Verglichen mit vielen anderen Bluttaten in den Kriegen war das Massaker eigentlich "nichts Besonderes".
Letztlich war es "nur" der Missbrauch des Gastrechts, das Empörung hervorrief.
Das politische Hauptziel war jedenfalls erreicht: Glencoe setzte tatsächlich einen vorläufigen Schlussstrich unter den Krieg in den Highlands.
Die Jakobiten nutzten diese Greueltat natürlich später weidlich als Propaganda für die kommenden Aufstände.
Aber warum ist uns Glencoe dann heute als Einzelereignis so präsent?
Naja, es passierte, was mit vielen Ereignissen in den Highlands passiert ist: 1811 schrieb Sir Walter Scott ein Gedicht über den Vorfall.
Dabei konzentrierte er sich stark auf Glen und Umgebung.
Die Rolle der Regierung und der Krone spielte er - als jemand, der mit dem Königshaus verbunden war - stark herunter.
Die romantische Kultur der 19. Jahrhunderts überhöhte die Geschichte, wie auch viele andere Ereignisse und Personen der Zeit.
Looking at you, Rob Roy MacGregor!
So also zog das Massaker von Glencoe auf ewig in die tragisch-romantischen Erzählungen der Highlands ein.
Als ein Verrat der notorischen Campbells an der Gastfreundschaft der MacDonalds.
Das soll nun um Himmels willen NICHT heißen, dass es keine schlimme Tat war oder dass es nicht furchtbar für die Opfer war.
Im Gegenteil: Es zeigt, wie ganz normale Menschen gestorben sind, weil die große Politik ihre
Ich hoffe, ich habe Euch mit den vielen Namen und Ereignissen nicht überfordert.
Ich war selbst erstaunt, wie tief sich dieses Ereignis durch die Regierungen der Königreiche gezogen hat.
Viele weniger wichtige Beteiligte fehlen sogar noch.
Dennoch hoffe ich, Ihr habt einen neuen Blickwinkel auf diese Geschichte erhalten.
Wenn Euch das gefallen hat, dann unterstützt mich gerne auf der Plattform Steady.
Und wenn Ihr Fragen und Ideen habt, schreibt mir einen Kommentar.
Bis zum nächsten Mal sage ich:
Tioraidh an-dràsta agus oidhche mhàth.